Zeit für einen schönen Tee
Es war einmal... So fangen Märchen an. Manchmal aber auch wahre Geschichten, die das Leben schrieb. Wenn es sich dabei um die Geschichte der zelebrierten Teestunde am Nachmittag handelt, lautet die Fortsetzung so:
... eine gewisse Anna Maria Russell, geborene Stanhope, ihres Zeichens siebte Herzogin von Bedford und Hofdame von Königin Victoria. Die noble Dame plagte am Nachmittag stets so gegen vier ein kleiner Hunger. Frühstück und Mittagsmahl waren bereits ein ganzes Weilchen her, und bis zum (vornehm spät) servierten Abendessen dauerte es nun mal noch einige Stündchen. Also ließ die Gute sich eines schönen nachmittags einfach Tee, Brot und Butter, und Kuchen auf ihr Zimmer bringen. Das war im Jahr 1840 – und geschah von da an regelmäßig. Und weil alleine essen nicht glücklich macht, lud sie nach und nach Freundinnen und Kolleginnen (sprich andere Hofdamen) zu dieser nicht pompösen, aber feinen teatime ein. Selbst die Königin soll auf Anhieb Gefallen an diesem kleinen social event am Nachmittag gefunden haben. Übrigens hatte just im Jahrhundert zuvor ein (nicht minder blaublütiger) Landsmann der Ladys, ein gewisser Earl of Sandwich, erstmals die – seinerzeit völlig "wilde" – Idee, Brotscheiben zu belegen und dann zusammenzuklappen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein Ritual macht die Runde
Zurück zur Duchess of Bedford. Natürlich hat sie nicht das Teetrinken am Nachmittag als solches erfunden. Und ganz sicher war sie auch nicht die Erste, die dabei etwas gegessen hat. Aber sie hat aus etwas an sich ganz Banalem und Alltäglichen ein Ritual gemacht; und dieses dann salonfähig. Inzwischen ist die gepflegte Teatime, in ihrer britischen Heimat auch afternoon tea genannt, längst rund um den Globus so beliebt, dass jedes Sterne-Hotel dies- und jenseits von Ärmelkanal, Nordsee und Atlantik, das etwas auf sich hält, sie offeriert. Einzug gehalten hat sie zudem auch in kontinental-europäische Cafés. Halt gemacht hat sie – zum Glück! – nicht mal vor der Fantasiewelt: Was wäre die Geschichte von 'Alice im Wunderland' ohne die Tee-Party(s) beim verrückten Hutmacher?!
Stapelweise Köstlichkeiten
Welcher Tee zur Teatime in die Tasse kommt, hängt bei der heutigen schier unendlichen Auswahl an Sorten und Mischungen ganz vom ganz persönlichen Geschmack ab. Erlaubt ist, was gefällt – sprich mundet. Gleichermaßen Klassiker wie Evergreen sind auf jeden Fall Earl Grey und Darjeeling; Letzterer gilt gemeinhin als der "Champagner unter den Tees". Richtiger Champagner wird in den Nobel-Teesalons dieser Welt heute ebenfalls zur Teatime gereicht. Und servierte man Herzogin Anna Tee und Speisen noch recht profan auf einem Tablett (wenngleich es selbstredend eins aus Silber gewesen sein dürfte), ist nun lange schon das buchstäblich geschmackvolle Anrichten der herzhaften und süßen Häppchen auf einer dreistöckigen Etagère stilsicherer Standard. Zu eben jenem gehören dann auch, ebenfalls anders als ursprünglich noch bei Lady Anna, die sich an dieser Stelle mit Brot und Butter begnügte, delikat belegte und in kleine Rechtecke geschnittene Sandwiches (der Earl lässt grüßen). An Beliebtheit und Häufigkeit ungeschlagen ist hierbei leicht gebuttertes Brot mit hauchdünnen Salatgurken- oder Räucherlachs-Scheibchen. Zur "Krönung" locken schließlich auf der obersten Etage typischerweise kunstvolle Petit Fours, Macarons und andere unwiderstehlich adrette Gebäckstückchen.
Must-have zur Teestunde
Was bei einem im besten (und leckersten) Sinne traditionellen afternoon tea absolut nicht fehlen darf: Scones! Die Briten lieben diese kleinen runden Milchbrötchen (wer sie mal probiert hat, weiß warum). Zur zelebrierten Teestunde am Nachmittag genießt man sie entweder mit Clotted Cream (einem aus Kuhmilch bestehenden Rahm, den's inzwischen mitunter auch hierzulande im Supermarktkühlregal gibt) und Konfitüre bestrichen oder auch ganz einfach pur. Und obwohl Großbritannien immer eine Reise wert ist, brauchen alle, die jetzt neugierig geworden sind (oder die leckeren Backschätzchen bereits kennen, aber schon länger nicht mehr in ihren Genuss gekommen sind) weder Fähre noch Flugzeug noch Zug zu besteigen; ja, nicht mal das Haus zu verlassen. Denn hier ist das Rezept für klassische Scones. Die sich dank eines Minimums an Zutaten und Aufwand auch allerbestens frisch zubereitet fürs spontane Frühstück mit Family & Friends eignen.
- 225 g Mehl (Weizenmehl Typ 550 oder 405)
- 1 (leicht gehäufter) TL Weinsteinbackpulver
- 1 Prise Salz
- 55 g Butter
- 25 g Puderzucker
- 150 ml Milch oder Buttermilch, zimmerwarm (+ etwas mehr zum Bepinseln)
- Optional: 1 Ei
- Ein Backblech mit Backpapier auslegen und den Ofen auf 220° (Ober- und Unterhitze/Umluft 200°/Gas Stufe 5) vorheizen.
- Das Mehl in eine Schüssel sieben, Weinsteinbackpulver und Salz hinzufügen und vermischen. Anschließend die Butter mit den Fingern unterkneten, bis Streusel entstehen.
- Den Puderzucker und etwas Milch hinzufügen und ebenfalls unterkneten. Dann nach und nach unter ständigem Weiterkneten (ab hier kann das auch der Knethaken des Mixers übernehmen) die übrige Milch zugießen, sodass ein glatter, elastischer Teig entsteht.
- Den Teig auf einer leicht bemehlten Fläche ca. 2 cm dick ausrollen und 5-6 cm große Kreise ausstechen (ich nehme dafür einfach immer eine Espresso-Tasse). Die Teigstücke auf das Backblech setzen (nicht zu dicht nebeneinander) und (für eine schöne Färbung) die Oberflächen mit etwas Milch resp. Buttermilch oder alternativ einem geschlagenen Ei bepinseln.
- Auf der mittleren Schiene für 12 – 15 Minuten goldgelb backen. Anschließend auf einem Gitterrost etwas abkühlen lassen und am besten noch lauwarm servieren und genießen.
Kleine Randnotiz: Das Teetrinken an sich begann in Großbritannien 1662. Natürlich am Königshof. Mit dem Einzug der Ehefrau von Charles II., der portugiesischen Prinzessin Catarina de Bragança. Und natürlich war das heutige Nationalgetränk der Briten sehr lange Zeit nur der Oberschicht vorbehalten. Heute trinken im Vereinigten Königreich Menschen aller Altersklassen und sozialen Schichten Tee zu so ziemlich jeder Tageszeit. Was sich der Statistik zufolge auf gigantische rund 36 Milliarden Tassen Tee pro Jahr summiert. Wie viele Scones dazu verspeist werden, ist leider nicht erfasst.