Leitfaden durchs Label-Dickicht
Ob beim Gang über den Wochenmarkt oder beim Streifzug durch die Supermarktregale: Nie war die Auswahl an Lebensmitteln so groß wie heute. Wir leben im Schlaraffenland. In dem sich mittlerweile auch ein kleiner Dschungel von Gütesiegeln und Qualitätsetiketten breitgemacht hat. Und über jedes davon ließe sich problemlos ein ganzes Büchlein schreiben – wofür an dieser Stelle der Platz natürlich nicht reicht. Wohl aber für einen kleinen Leitfaden durchs Label-Dickicht, der schon mal einen Überblick über das gibt, was da mit am wichtigsten ist und uns deshalb auch am häufigsten begegnet.
Bio-Siegel
Laut offiziellen Angaben vom 30. April 2018 nutzten das nationale staatliche Bio-Siegel – das eigentlich am 1. Juli 2010 vom EU-Bio-Logo abgelöst wurde – 5109 Unternehmen auf 77.848 Produkten. So viel zur Statistik. Dass es das sechseckige deutsche Bio-Siegel ergänzend zu dem aus Sternchen geformten Blatt des EU-Bio-Logos überhaupt noch gibt, ist einzig und allein der Macht der (Verbraucher)Gewohnheit geschuldet. Rechtsgültig und verbindlich wäre es ohne Letzteres nämlich nicht. Also nicht wundern, wenn etwas mal "nur" mit dem rechteckigen EU-Bio-Logo gekennzeichnet ist: Es ist genauso sehr und nach exakt den gleichen Richtlinien bio wie alles, was zusätzlich noch das alte Siegel trägt. Dessen Missbrauch übrigens immer noch mit Geld- und Freiheitsstrafen geahndet wird. Jede Menge weitere Infos zum amtlichen Siegel inkl. Broschüren zum Download hält das Informationsportal Ökolandbau bereit.
EU-Bio-Logo
Mit diesem EU-weit einheitlichen Logo schmücken sich vorverpackte Lebensmittel und Produkte, die nach den geltenden EU-Vorschriften für ökologischen Landbau erzeugt, produziert und kontrolliert wurden. Dem Verbraucher werden damit einheitliche Mindeststandards im ökologischen Landbau garantiert – Betonung auf Mindest. Denn es steht zwar für eine ökologische Produktion und artgerechte Tierhaltung, doch das ist eigentlich allen Öko-Anbauverbänden – und auch immer mehr Verbrauchern – noch nicht resp. nicht mehr genug. So dürfen beispielsweise gemäß aktuell gültiger EU-Rechtsvorschrift bis zu 5 % der Zutaten eines Bio-Produktes aus konventionellem Anbau stammen – von 100 % bio kann also schon keine Rede mehr sein; die Verwendung von (erlaubten und entsprechend gelisteten) Zusatzstoffen ist stark eingeschränkt – aber nicht komplett untersagt; die Tiere sollen mit ökologisch und möglichst selbsterzeugtem Futter gefüttert werden – ein Zukauf von Futtermitteln ist aber generell erlaubt; und auf Antibiotika soll weitgehend verzichtet werden – gänzlich verboten sind sie aber nicht. Übrigens: Unverpackte Bioprodukte, die aus der EU stammen oder importiert werden, können auf freiwilliger Basis mit dem Bio-Logo gekennzeichnet werden. Mehr zum Thema EU-Bio-Logo und biologische Landwirtschaft in Europa findet sich auf den entsprechenden Seiten der Europäischen Kommission.
Bioland
Mit über 7000 Landwirten, Gärtnern, Imkern und Winzern plus über 1000 Herstellungs- und Handelspartnern (wie Bäckereien, Molkereien, Metzgereien etc.) der größte deutsche Verband für ökologischen Landbau. Entstanden aus dem 1971 gegründeten „bio gemüse e.V.“ und als Vereinsname und Warenzeichen Mitte der 70er-Jahre eingetragen. Zu den obersten Prämissen gehören (und da ähneln sich die weiteren aufgeführten Bio- und Öko-Vereine und -Verbände absolut) Förderung der Bodenfruchtbarkeit und biologischen Vielfalt, artgerechte Tierhaltung, Erzeugung wertvoller Lebensmittel, Sicherung einer lebenswerten Zukunft – und zwar in rigoroserem Maße als das, was diesbezüglich laut EU-Öko-Verordnung vorgesehen ist. Einigkeit herrscht aber allenthalben, was das klare Nein zu chemisch-synthetischen Düngern und Pestiziden, Massentierhaltung und Gentechnik angeht. Alle Infos zu Bioland inklusive Bioland-zertifizierter Hotels gibt es auf der Bioland-Website.
Demeter
Der älteste Bioverband Deutschlands. Nicht nur zufällig nach der griechischen Göttin der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus genannt. Basierend auf dem anthroposophischen Leitbild Rudolf Steiners, werden zu Demeter gehörende Felder schon seit 1924 biodynamisch bewirtschaftet. Eigentlich unnötig da noch gesondert zu erwähnen, dass das (von jeher) sehr weit über die heutige EU-Öko-Verordnung hinausging und -geht. Dem Verband haben sich zudem nicht nur Landwirte, sondern beispielsweise auch Käsereien, Bäckereien und Imkereien angeschlossen, die mit ihrem jeweiligen handwerklichen Können und weitestgehendem Verzicht auf Hilfsstoffe zur hohen Qualität der Lebensmittel beitragen. 1997 wurde außerdem Demeter-International gegründet, weshalb das Label heute auch in Amerika, Afrika, Asien und Neuseeland zu finden ist. Einen tieferen Einblick in die Demeter-Welt, Rezepte inklusive, findet man unter demeter.de.
DLG
Die 1885 gegründete DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) fungiert als neutrale, unabhängige, gemeinnützig geltende, DIN- und ISO-zertifizierte Fachorganisation der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Sie prüft, testet, bewertet und prämiert die Qualität verschiedenster Lebensmittel. Dabei geht es primär um die rein sensorische Analyse, sprich Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz. Ergänzend führen die DLG-Experten auch Zubereitungsprüfungen, Verpackungs- und Kennzeichnungsprüfungen sowie chemische, mikrobiologische und physikalische Tests durch. Ökologische, ökonomische und/oder soziale Aspekte bleiben hier außen vor. Eine Vielzahl detaillierter Informationen findet man auf der DLG-Website.
ECOVIN
Seit 1990 zugelassenes Warenzeichen für Wein aus ökologischem Anbau. ECOVIN geht auf den 1985 von Ökowinzerinnern und -winzern gegründeten Bundesverband Ökologischer Weinbau e.V. zurück. Aktuell zählt man hier 233 Mitgliedsbetriebe. Die umfangreichen, ständigen Kontrollen unterliegenden Richtlinien, die sich die passionierten "Weinbauer von morgen" aufs Etikett geschrieben haben, gehen mit den Aspekten Ökologisches Gleichgewicht, Vorsorgeprinzip, Biodiversität, Ressourcen- und Klimaschutz, Gentechnikfreiheit, Ökonomischer Erfolg, Sozialverträglichkeit und Ökologische Weinkultur deutlich über EU-Standards hinaus. Detaillierte Infos und Hintergrundinformationen gibt es auf ecovin.de.
Naturland
1982 von zehn Öko-Pionieren gegründet, ist Naturland heute eines der wichtigsten Label für qualitativ hochwertige Lebensmittel (Fleisch, Fisch Milch, Käse, Eier, Obst, Salat, Gemüse, Getreide und Gewürze), die im Einklang mit Natur und Umwelt, unter sozial und ökonomisch fairen Bedingungen hergestellt werden. Auch hier sind die selbstauferlegten Kriterien deutlich strenger als die der EU-Öko-Verordnung. Naturland-zertifizierte Erzeuger und Verarbeiter werden mindestens ein Mal pro Jahr auf die Einhaltung der Standards überprüft. Umfassende Infos einschließlich einem Verzeichnis der Naturland-Höfe findet man unter naturland.de.
Fairtrade
Ist in dieser Schreibweise ein eingetragenes Warenzeichen und wurde 2002 als einheitliches Siegel der verschiedenen Fairtrade-Organisationen eingeführt. Es findet sich auf Lebensmitteln von Brotaufstrich bis Zucker, inzwischen aber auch auf Baumwollprodukten, Blumen, Gold und sogar Fußbällen. Die erste Fairtrade-Bewegung entstand bereits in den 1950er-Jahren. 1997 fand der Zusammenschluss verschiedener Organisationen zu einer weltweit zuständigen Dachorganisation statt. Der Name war und bleibt Programm: faire Produktions- und Handelsbedingungen – sowohl in sozialer, ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht – für Kleinbauern (und Arbeiter) in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dazu gehören u. a. nach wie vor geregelte Arbeitsbedingungen, Verbot von Kinderarbeit, umweltschonender Anbau, Schutz natürlicher Ressourcen, Verbot gefährlicher Pestizide und gentechnisch veränderten Saatguts, Förderung des Bio-Anbaus und, soweit möglich, Bezahlung eines Mindestpreises. Mehr dazu auf fairtrade-deutschland.de.
Gäa e.V.
"Klein, aber fein" könnte man die Ende der 1980er-Jahre gegründete und nach der griechischen Erdgöttin Gaia benannte deutschlandweite Vereinigung für ökologischen Landbau nennen. Denn zu seinen Mitgliedern zählen vor allem auch Familien- und Spezialbetriebe (wie z. B. für Kräuter- oder Beerenanbau, Gemüseanbau, Saatgutvermehrung und Teichwirtschaft). Natur- und Umweltschutz werden hier genauso großgeschrieben wie soziale Verantwortung und Gerechtigkeit. Natürlich entsprechen die unter diesem Dach erzeugten Produkte der EU-Öko-Verordnung. Allerdings sehen auch die Gäa-Mitglieder diese lediglich als Minimalstandard, über den ihre selbstdefinierten Richtlinien – die nach eigenen Angaben zu den strengsten in Deutschland gehören – weit hinausgehen. Für ein umfassendes Bild hierzu lohnt sich ein Besuch auf der Verbandswebsite.
GEPA
Fairem Handel hat sich auch GEPA verschrieben, ist aber nicht mit Fairtrade (s. o.) zu verwechseln! Gegründet wurde die „Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH“ 1975 vom Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED), Misereor und der Arbeitsgemeinschaft der Dritte Weltläden. 1986 führte das Handelsunternehmen den ersten fairen Bio-Kaffee in Deutschland ein, ein Jahr später den ersten Bio-Tee. Zum festen Lebensmittel-Sortiment gehören längst auch Schokolade und Kakao, Reis und Nudeln, Brotaufstriche und Honig, Saucen und Snacks, Säfte und Wein. Gentechnik lehnt auch die GEPA grundsätzlich ab. Und gut drei Viertel der Produkte sind sowieso bio. Viele weitere Infos einschließlich Verkaufsstellenfinder und Link zum eigenen Online-Shop unter gepa.de.
Followfish
Wurde 2007 als "Bewegung für Transparenz, Nachhaltigkeit und wahren Geschmack" von erfahrenen Fischhändlern in Deutschland gegründet. Inzwischen ist daraus ein weltweites Netzwerk von nachhaltig wirtschaftenden Fischern und Bio-Fischzüchtern entstanden. Um dem selbstgewählten Motto "Folge dem wahren Geschmack" so gerecht wie möglich zu werden, kommt jedes followfish-Produkt mit einem Tracking-Code in den Handel, anhand dessen der interessierte Verbraucher genau verfolgen kann, aus welchem Gewässer der Fisch auf seinem Teller, ob Bio-Zucht oder Wildfang, nun kommt. Das gesamte Sortiment, von Bio-Shrimps aus Vietnam über handgeangelten Thunfisch von den Malediven bis zu Bio-Miesmuscheln aus Irland und Lachs aus biologischer Aquakultur in Norwegen, entspricht den WWF-Kriterien für Nachhaltigkeit. Und auch bei der Verpackung hat man hier mit so wenig Plastik wie möglich die Umwelt im Sinn. Weitere Infos unter followfish.de.
MSC (Marine Stewardship Council)
Seit der Gründung 1997 als gemeinnützige Organisation von WWF und Unilever immer wieder mal in der Kritik und unter Beschuss. Dennoch einer der Vorreiter in Sachen Standards für nachhaltigen Fischfang weltweit – bei dem es nicht nur um die Tiere selbst (und deren Bestand = Erhalt), sondern auch den Lebensraum Meer geht. Nach eignen Angaben tragen mittlerweile über 27.000 Fischprodukte das MSC-Logo. Wobei die jeweilige Zertifizierung selbst nicht vom MSC, sondern nach deren Kriterien von fachlich geeigneten, unabhängigen Dritten vorgenommen wird. Reichlich Fakten, Hintergründe und Zahlen hierzu auf 20.msc.org und msc.org.
QS
Ein 2001 ins Leben gerufenes Qualitätssicherungssystem für frisches Obst, Gemüse und Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft. Ein "lückenloser Lebenslauf des Lebensmittels vom Landwirt bis zur Ladentheke" soll den Verbrauchern die einwandfreie Qualität der Erzeugnisse garantieren. An dem System nehmen europaweit derzeit knapp 140.000 Erzeuger teil. Überwacht, kontrolliert und dokumentiert werden im Fleisch-Bereich z. B. artgerechte Haltung und tierschutzgerechte Schlachtung, im Bereich Obst und Gemüse u. a. die Qualität des Saatguts selbst, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Lagerung der Ernte sowie deren Transport. Umfangreiche Detail-Informationen finden sich auf qs-live.de.
UTZ (CERTIFIED)
Ist ein unabhängiges, international anerkanntes Programm und Label für nachhaltig angebauten Kaffee, Kakao und Tee. Im Fokus stehen hierbei bestmögliche Bedingungen für Mensch und Natur gleichermaßen. Die treibende Kraft hinter UTZ ist eine unabhängige Stiftung, die 2002 von einem belgisch-guatemaltekischen Kaffee-Farmer unter dem Namen "UTZ kapeh" (was in der Maya-Sprache Quiché "guter Kaffee" heißt) gegründet wurde. Neuster Meilenstein in der UTZ-Geschichte ist der Zusammenschluss mit der Rainforest Alliance im Januar dieses Jahres. Schon 2019 soll es ein gemeinsames Zertifizierungsprogramm geben. Mehr zu all dem auf utz.org.