Mehr als nur Nahrungsmittel
Fußballweltmeister ist Deutschland offiziell, mehrmals. Inoffiziell sind wir hierzulande auch "Weltmeister an Brotsorten" – und wer weiß, eines Tages vielleicht sogar ganz offiziell. Ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes hat die Deutsche UNESCO-Kommission die hiesige Brotkultur jedenfalls bereits 2014 aufgenommen. Mit gutem Grund, gibt es doch allein regional schon so viele verschiedene Brotsorten, dass sich die Gesamtzahl kaum beziffern lässt.
Geliebte Vielfalt
Spreche ich mit Freunden und Bekannten, die im Ausland leben, sagen alle früher oder später, dass sie die hier ganz selbstverständliche Brotvielfalt sehr vermissen. Nie vergessen werde ich auch die (selbst erlebte) Szene (und die Reaktion der angesprochenen Frau), in der ein junger Mann mit schwäbischem Akzent eine Bäckereiverkäuferin im Rheinland fragte: "Haben Sie auch Seelen?" Ihm ging's um (rein optisch) Baguette-ähnliches Brot, das nördlich des Schwabenlandes unter dem genannten Begriff aber wohl nur Insider kennen... Bezeichnungen wie Weiß-, Grau- und Schwarzbrot oder die Kategorien Weizen-, Roggen- und Mischbrot können bei so viel mit Erfindungsreichtum und Fantasie gepaarter Tradition der deutschen Bäckerinnen und Bäcker nur als kleinster gemeinsamer Nenner fungieren.
Vom Grundnahrungsmittel zum Lifestyle-Produkt
Nicht neu, aber anhaltend beliebt ist es auch, sein eigener Brotbäcker zu sein. Dafür stehen uns heute neben zahlreichen Mehlsorten und unterschiedlichsten Rezepten auch diverse Gerätschaften zur Verfügung. Am Ende kommt es aber, wie bei allem, hauptsächlich auf die inneren Werte, sprich die Zutaten an. Voll Korn? Gerne, aber welches Korn darf's/soll's denn sein? Oder doch lieber ein klassisches Sauerteigbrot? Und während vor allem viele Low-Carb-Anhänger bisher auf Eiweißbrot schworen, kommt nun bei einigen Zeitgenossen nur Brot, das auch Chia-Samen enthält, in die Tüte beziehungsweise auf den Tisch. Geschmacklich langweilig wird's mit Brot jedenfalls so schnell nicht. Nicht vergessen sollten wir dabei auch, dass richtig gutes Brot außerdem viel mit Handwerk zu tun hat!
Bis zum letzten Krümel
So verführerisch frisch gebackenes Brot duftet, so reizlos finden wir für gewöhnlich altes Brot. Dabei müssen trockene Brotwaren längst kein Abfallprodukt sein. Semmelbrösel und Paniermehl sind damit ruckzuck, ganz frisch, selbstgemacht. Und „Arme Ritter", eins meiner – zugegeben ziemlich unspektakulären, aber einfach immer wieder leckeren – süßen Lieblingsessen wäre ohne altbackene Brötchen – oder trockenes Weißbrot – undenkbar! Ich habe es mal mit noch relativ frischen Brötchen versucht, es war nicht dasselbe. Ob nun die deutsche Brotkultur eines Tages in die offizielle Kulturerbe-Liste der UNESCO aufgenommen wird oder nicht, die Brotvielfalt ist nirgends so groß wie hier. Tendenz steigend. Denn der Fantasie sind ja auch in Küche und Backstube weiterhin keine Grenzen gesetzt.