Herbstgenuss mit Cranberries
Sie gehören zu DEN Farbtupfern und Genussbomben des Herbstes – ok, hier bei uns weniger in freier Natur, dafür umso mehr auf dem Teller, in der Schale oder im Glas. Längst haben Cranberries in Sachen Beliebtheit den Sprung über den großen Teich geschafft und erfreuen auch in good old Germany jetzt wieder saisonfrisch Augen und Gaumen. Der botanische Name der "Großfrüchtigen Moosbeere" lautet Vaccinium macrocarpon. Darüber hinaus gibt es dann noch die "Südliche Moosbeere" (Vaccinium erythrocarpum), "Gewöhnliche Moosbeere" (Vaccinium oxycoccos) und "Kleinfrüchtige Moosbeere" (Vaccinium microcarpum), wobei die beiden Erstgenannten den Bärenanteil der verzehrten Arten ausmachen. Ihre – konsequenterweise – auch uns Germanen längst mehr als geläufige, allgemeine Bezeichnung Cranberry verdankt die im frischen Zustand äußerst knackige Beere deutschen und niederländischen Emigranten und dem Aussehen ihrer hübschen rosa-weißen Blüten. Erstere fühlten sich im 17. Jahrhundert nämlich von Letzteren an Kopf und Schnabel eines Kranichs (engl.: crane) erinnert. Aus dem daraus resultierenden craneberry wurde nach einer Weile cranberry, und so wird sie manchmal hierzulande denn auch "Kranbeere" oder "Kranichbeere" genannt.
Kult-Obst in und aus den USA
Die Indianer Nordamerikas kannten und schätzten die knackigen Strauchfrüchtchen jedoch schon lange vor den eingewanderten Europäern – nicht nur als Lebensmittel, sondern auch als Medizin. Denn die prallen roten Beeren, die frisch und qualitativ intakt dank der vier Luftkammern in ihrem Inneren vom Boden abspringen wie ein Flummi, stecken voller Antioxidantien (wie den Vitaminen A, C, E und K, dem Vitamin-B2-Komplex-Bestandteil Niacin, und den Spurenelementen Eisen, Kalium, Kalzium, Kupfer, Magnesium, Mangan, Natrium, Phosphor, Selen und Zink). Ihren "luftigen" Aspekt machen sich US-amerikanische Farmer auch bei der großflächigen Nassernte zunutze. Auf den riesigen Anbauflächen Nordamerikas werden Cranberries nämlich meist nicht von Hand gepflückt, sondern von Mitte September bis Anfang November folgendermaßen geerntet: Die Moore, in denen sie wachsen und reifen, werden einen knappen halben Meter hoch geflutet und die Beeren dann mithilfe künstlich erzeugter Wasserstrudel von den Sträuchern gelöst. Aufgrund der bereits erwähnten Luftkammern schwimmen die Früchte an der Wasseroberfläche und können so ganz einfach abgeschöpft (bzw. direkt in Behälter abgesaugt und via Fließband auf LKWs verladen) werden. Offiziellen Angaben zufolge ernten auf die Art in den USA sechs Arbeiter circa 136.000 kg Cranberries – pro Tag. Jede einzelne davon muss dann laut dem US Cranberry Marketing Committee erst einen Qualitätstest – bei dem wieder die Luftkammern ins Spiel kommen – erfolgreich bestehen, bevor sie in den Handel gelangt oder weiterverarbeitet wird. Und dieser Test sieht so aus: Die Cranberry muss sieben Mal über zehn Zentimeter hohe Holzbarrieren springen. Das schafft sie nur, wenn sie weder beschädigt noch von minderer Qualität ist. Meistert sie diese Hürde nicht, wird sie aussortiert. Wer sich nun Räume voll fröhlicher Tester vorstellt, wird sicher enttäuscht sein zu erfahren, dass dafür schon seit Ende des 19. Jahrhunderts Maschinen eingesetzt werden. Lustig anzusehen sind diese Qualitätstests aber wohl trotzdem allemal.
Power herb-sauer
Einige Cranberrysorten gedeihen übrigens durchaus auch in Deutschland. Da sie als typisches Heidekrautgewächs saure und sandige Böden bevorzugen, hat sich hier bei uns besonders die Lüneburger Heide als Anbaugebiet inzwischen bewährt. Und sogar über eine Ernte aus dem eigenen Garten kann sich freuen, wer den knackigen roten Schätzchen aus Übersee einen nährstoffarmen sauren Boden bieten und sich drei bis vier Jahre gedulden kann (denn so lange dauert es, bis ein Cranberrystrauch, der als Steckling oder Setzling eingepflanzt wird, erste Früchte trägt). Was sich als Füllung eines klassisch amerikanischen Thanksgiving-Truthahns eignet, funktioniert natürlich auch als Zutat in originellen deutschen Schmortopfgerichten. Unter anderem. Denn pur und frisch schmecken Cranberries zwar ganz schön herb-sauer! Doch zu Saft, Sirup, Likör und Marmelade verarbeitet, kennen und mögen mittlerweile auch wir in der "Alten Welt" das nordamerikanische Obst fast so sehr wie die Bewohner des Erdteils, aus dem es stammt. Und getrocknet und gesüßt landet es ebenso hier bereitwillig in Gebäck, Müsli und Joghurt. Oder wie bei mir am allerliebsten in meinem 2006 – als Hommage an drei großartige Wochen an der Ostküste der USA – kreierten "New England Salad". Dessen Rezept ich euch an dieser Stelle gerne verrate.
New England Salad à la Anja
- 1 Kopf roter Eichblattsalat
- 250 – 300 g braune Champignons
- ca. 100 g getrocknete und gesüßte Cranberries *
- ca. 75 g zerkleinerte Walnüsse **
- Ahornsirup
- Balsamico
- Weißer Pfeffer ***
- Salz ***
- Olivenöl
- Rapsöl
- Butter
- Salatblätter in Stücke zupfen, waschen und trockenschleudern (oder sehr gut abtropfen lassen). Die Champignons evtl. kurz abbürsten, das untere Ende des Stiels ab- und die Pilze dann in Scheiben schneiden. Die Rindfleischstreifen ganz nach Gusto salzen und pfeffern.
- In einer großen Pfanne auf höchster Stufe 1 EL (ca. 20 g) Butter erhitzen, bis sie schaumig wird. Die Champignonscheiben hineingeben und ca. 1 Minute unter Rühren anbraten. Die Temperatur etwas verringern und die Pilze unter gelegentlichem Rühren weitere 2 – 3 Minuten braten, dabei (dem eigenen Geschmack entsprechend mehr oder weniger kräftig) pfeffern. Mit einem Schuss Ahornsirup ablöschen, verrühren, das Ganze kurz sprudelnd aufkochen lassen, erneut gut umrühren und nochmals ca. 1 Minute köcheln lassen.
- In einer weiteren Pfanne knapp 1 EL Rapsöl und einen Klecks Butter auf hoher Temperatur erhitzen. (Die Butter verleiht dem Fleisch dabei nicht nur ein feines Aroma, sondern auch eine appetitlich anzusehende Bräune.) Die Rindfleischstreifen dazu geben und (unter Drehen und Wenden) bis zum gewünschten Gargrad braten (ich bevorzuge sie Medium, von Bleu/English bis Well Done ist aber natürlich auch hier alles erlaubt. Lediglich bei Schwein und Geflügel gilt IMMER: nur ganz durchgegart genießen!).
- Aus je ca. 2 EL Balsamico und Olivenöl eine Vinaigrette mischen (am einfachsten geht das z. B. in dem CLIP & CLOSE Mixbecher; wenn man die Zutaten direkt in der Schüssel oder einem separaten Schälchen mischt: immer erst den Balsamico, dann das Öl hineingeben. So emulgiert das Ganze beim Verrühren sehr viel besser). Mit Pfeffer und Ahornsirup abschmecken und den Salat damit gut durchmischen.
- Ein paar Cranberries und Walnussstückchen zum Dekorieren beiseitelegen, den Rest gründlich mit dem Salat vermischen. Mit den Champignons dann genauso verfahren. Den Salat auf Tellern anrichten, die Rindfleischstreifen darauf drapieren und mit den restlichen Pilzen, Nüssen und Beeren dekorieren. Enjoy!
* Am besten die extragroßen in der "Soft-Version"
** Filet, Entrecote, Hüft- oder Rumpsteak, – ich nehme meistens Hüftsteaks
*** Beides am besten frisch aus der Mühle
Dazu passt ein leckerer Rotwein (ich nehme, um kulinarisch "im Land" zu bleiben, immer einen kalifornischen) genauso ideal wie eine spritzige Cranberry-Schorle. Wer mag, kann zusätzlich auch frisches Baguette und Butter dazu reichen. Die angegebenen Mengen ergeben eine Hauptmahlzeit für 2 Personen, Vorspeise oder Zwischengang für 4, oder eine große Schüssel mal etwas anderen Salat für die nächste Party. Der rote Eichblattsalat lässt sich natürlich durch jeden anderen Salat ersetzen; ich persönlich mag an ihm nicht nur sein leicht nussiges Eigenaroma, sondern auch das schöne Farbspiel, das er auf den Teller zaubert und das toll mit den Farben der Cranberries und Champignons harmoniert (das Auge isst, wie wir alle längst wissen, schließlich wirklich mit!). Ebenso kann das Rindfleisch gegen andere Fleischarten oder vegetarischen/veganen Fleischersatz ausgetauscht werden. Tastet euch beim Abschmecken der Salatsoße tröpfchenweise an das für euch richtige Ahornsiruparoma ran. Die süße Nuance in der säuerlichen Vinaigrette ist für viele erst mal sehr gewöhnungsbedürftig. Wie immer gilt auch hier: Richtig ist, was schmeckt!
Multitalente mit Biss und Pfiff
Zum Schluss noch eine Empfehlung für frische Cranberries: Mit Mascobado-Zucker und Rotwein eingekocht, ergeben sie ein raffiniertes Mus als Beilage oder Topping zu herbstlich-herzhaften Fleisch- und/oder Kartoffelgerichten! Und kürzlich habe ich sogar gelesen, dass sie als Gesichtsmaske hautstraffend, -beruhigend und entzündungshemmend wirken. In diesem Sinne, nichts wie ran jetzt an die reifen, knackig roten, einmaligen Früchtchen!